15. Januar 2018, 13:05 Uhr
Seit über 40 Jahren spielt sich sein Leben zwischen Popcorn-Duft und Clownsnasen und unter den Drahtseilen der Manege ab: 1976 machte Bernhard Paul seinen Kindheitstraum wahr und gründete den Zirkus "Roncalli". Der Außenseiter, der nicht aus einer altehrwürdigen Zirkusdynastie stammt, prägte damit die deutsche Zirkus-Szene.
Bernhard Paul
Die Verrückten sind ihm viel lieber als die Normalen, sagt Bernhard Paul. Aber auch er hat mal versucht, etwas anderes als Zirkus – etwas Normales – zu machen. Bernhard Paul studierte Hoch- und Tiefbau, später Grafik-Design und wurde Art-Director. Doch irgendwann wollte er seinen Kindheitstraum wahrmachen und begann "in einer unglaublichen Naivität" einen Zirkus zu gründen.
Es war so, wie wenn man die Eiger-Nordwand besteigt ohne Seil und ohne Haken, und dann mittendrin hängt und sagt "Oh scheiße, da geht's tief runter. Und runter geht nicht mehr, ich muss hoch!".
Bernhard Paul, der Zirkus-Newcomer, besorgte sich ein Zelt und ein paar Wagen und legte los. Dass er nicht aus einer alt eingesessenen Zirkusdynastie stammt, war sogar eher ein Vorteil, sagt Paul heute. Kein Vater oder Großvater schrieb ihm Traditionen vor, und er hatte die Chance, seinen Zirkus neu zu erfinden.
Ich wollte ihn so, wie ich ihn mir als Kind erträumt hab'. Und diesen Traum-Zirkus habe ich realisiert.
Der heute 70-Jährige wurde am 20. Mai 1947 im niederösterreichischen Lilienfeld geboren. Als Kind auf dem Land ist er fasziniert vom Wanderzirkus, der regelmäßig dort Station macht. Als er seinen eigenen Zirkus gründet, zieht er als Manager nicht nur die Fäden im Hintergrund, sondern steht wenige Zeit später selbst im Sägemehl der Manege. Seine Clownsnummern als "Zippo" machen "Roncalli" berühmt, obwohl er sich das Rampenlicht zunächst gar nicht zugetraut hatte.
Ich wollte als Kind immer Clown werden. Und ich liebe das Trio: Ein Weiß-Clown und zwei "Dumme Auguste". Und dann hat der dritte Mann fürs Trio gefehlt. Die Premiere kam immer näher, und ich hab immer noch keinen dritten Mann gehabt. Und da hat der Fredi (Coltrelli) gesagt: "Mach du's!". Und ich: "Bist du verrückt, das kann ich nicht". Und da keiner da war, musst ich es machen und daraus wurden zig Jahre.
"Roncalli" begeistert seit Jahren Groß und Klein mit attraktiven Shows.
Viel Geld kostet der Betrieb von Pauls kleiner Traumfabrik. Er machte Schulden, dann Gewinne und steckte wieder alles in neue Lichtshows und Attraktionen. Frei nach dem alten Sprichwort: "Im Zirkus muss man das Geld zum Fenster rausschmeißen, dann kommt's durch die Tür wieder hinein". 150 Artisten arbeiten heute für Paul, dessen drei Kinder den Zirkus "Roncalli" wahrscheinlich irgendwann weiterführen werden.
Doch auch ein Zirkus muss mit der Zeit gehen. Schon seit Jahren gibt es keine Wildtiere mehr bei "Roncalli", nur ein paar Ponys hatte Bernhard Paul noch in seinem Zirkuszelt, und auch damit wird im nächsten Jahr Schluss sein. Denn "Roncalli "gastiert vor allem in Großstädten, in "Betonwüsten" wie Paul sagt, und schließlich würden die Menschen zu ihm kommen wegen der Akrobatik, der Musik und der Träumereien.
Das Gespräch zum Anhören:
Zirkusdirektor Bernhard Paul: Magie in der Manege, [36:59]
Moderation: Kristin Hunfeld
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 15. Januar 2018, 13:05 Uhr
Info: Zwei nach Eins
Gespräche mit Prominenten und Zeitzeugen aus Kultur, Politik und Wirtschaft.
Sendezeit:
Mo. - Fr., 13:05 - 14 Uhr
Archiv: Zwei nach Eins
Service
Titelsuche
Suchen Sie nach einem Titel oder Interpreten, den Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt bei uns auf Bremen Zwei gehört haben? Mehr...
Thomas Fischer
Er wird mit Attributen wie "streitbar" und "umstritten" beschrieben. Aber so zu tun, als hätte er keine eigene Meinung, hält Bundesrichter a.D. Thomas Fischer für heuchlerisch. Mehr...
20. April, 13:05 Uhr | Bremen Zwei
Live von der Jazzahead
Am Donnerstag stehen unterschiedliche Bands und Formationen aus unserem Nachbarland Polen auf den Bühnen. Wir senden einige Ausschnitte daraus. Mehr...
20. April, 21:05 Uhr | Bremen Zwei
Plötzlich Pole!
Die bewegende Geschichte von Klaus B., der durch die nationalsozialistische Rassenpolitik zwangsweise vom Polen zum Deutschen gemacht wurde. Mehr...
21. April, 18:05 Uhr | Bremen Zwei
Herz der Finsternis
In der Reihe "Erfahren, woher wir kommen" stehen große Romane der Weltliteratur im Mittelpunkt. Dazu gehört Joseph Conrads Roman "Herz der Finsternis". In der Stadtbibliothek Bremen liest Markus Boysen Textauszüge. Hanjo Kesting kommentiert das Werk. Mehr...
15. Mai 2018, 19:00 Uhr | Stadtbibliothek Bremen
Beiträge nachhören
Suche
Bremen Zwei durchsuchen: